Die Wirtschaft ist für den Menschen da, nicht umgekehrt
Heiko Fischer hat an der TEDx ein vielbeachtetes Referat zur Zukunft der Human Resources gehalten. Darin forderte er deren Abschaffung, sollte sie nicht grundlegend neu gedacht werden. Ein Gespräch mit dem Mann, der will, dass Demokratie in die Unternehmen Einzug hält, und dass die Angestellten wieder Sinn in ihrer Arbeit erkennen.
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Herr Fischer, mit ihrem Konzept der «Resourceful Humans» fordern Sie mehr Demokratie in Unternehmen. Reicht es nicht, wenn es Gewinne macht?
Was hat das für Sie als Personaler mit Human Resources zu tun?
Wir müssen die Funktion von Human Resources neu definieren. Wir sollten Innovation in Unternehmen unternehmerisch unterstützen. Die HR sollte eine Organisation zu dem Grad befähigen, dass sie uns gar nicht mehr braucht. Die Mitarbeiterentwicklung sollte wieder zum Linienvorgesetzten gehen, der sich mit seinen Mitarbeitern hinsetzen und sagen kann «Ich kann Dich entwickeln, ich kann Dir helfen Dein Potenzial voll abzuholen.»
Fischers Analyse des gegenwärtigen Zustands der Human Resources ist das, was man gemeinhin als «schonungslos» bezeichnen würde. Er sei die ewige Klagen leid, dass die Personalabteilungen nirgends ernst genommen würden, dass man nicht am Entscheidertisch sässe. Das sei zu einem grossen Teil selbstverschuldet. Während sich der Arbeitsmarkt grundlegend verändert habe und die Angestellten heute viel mobiler sind und viel mehr Jobwechsel vornehmen als ihre Vorgängergenerationen, habe sich die Definition der Human Resources in der BWL schlicht nicht weiterentwickelt. Dieses Defizit will Fischer nun ausgleichen.
Worum geht es bei Ihrem Konzept von «Resourceful Humans» genau?
Für den neuen Ansatz «Resourceful Humans» haben wir 3 Grundwerte. Erstens, Demokratie: Wir müssen eine Unternehmung der Willigen und Fähigen werden. Mitarbeiter müssen mehr Verantwortung und Entscheidungsfreiheit bekommen. Zweitens, freier Informationsfluss: Ein Mitarbeiter kann keine gute Entscheide treffen ohne alle notwendigen und relevanten Informationen. Und drittens, freies Gain-Sharing: Wenn ich mich voll einbringe mit meinem Potenzial um meinen Kunden den grösstmöglichen Mehrwert zu stiften, dann will ich auch Mitunternehmer werden und in einer Art und Weise entlöhnt werden, die zum Ausdruck bringt, was ich hier geleistet habe.
Sie sprechen von willigen, fähigen und gut informierten Mitarbeitern. Wir alle kennen aber Kästchendenken und, gerade in grossen Unternehmen, Apathie. Was macht sie so zuversichtlich?
Nicht jeder wird die Apathie überwinden. Das Konzept «Resourceful Humans» setzt eine Selektion voraus. Wenn wir uns neu so aufstellen wollen, wird es Leute geben, die diesen Weg nicht mitgehen können. Bei der Deutschen Telekom hat es 42% Beamte, die werden sie in ihrem mittleren Lebensabschnitt nicht dazu bewegen, ihre Arbeitsweise komplett umzustellen, da ist die Konditionierung zu weit fortgeschritten.
Andere wird sein Versprechen auf mehr Demokratie, auf fairere Entlöhnung und auf das Ausschöpfen des eigenen Potenzials aber durchaus reizen. Die Frage ist nur, wie man einen solchen Paradigmenwandel in der Unternehmensorganisation überhaupt hinkriegt. Fischer ist überzeugt, dass seine Forderungen von Beginn weg praxisnah umgesetzt werden müssen, damit sie auch ihre Wirkung entfalten. Man müsse halt mit einem Projekt beginnen und den Involvierten mehr Freiheit und Verantwortung übergeben. Schnell werde man sehen, was den Angestellten passt und was nicht, und ob man die neuen Rechte und Pflichten auf weitere Unternehmensgebiete ausweiten wolle.
Was nützt mir als Angestellter Ihr Konzept?
Sie stärkt Ihre «Employability», aber nicht im Sinne von «Wie attraktiv bin ich am Arbeitsmarkt?», sondern «Wie stark kann ich hier wirklich mein Potenzial entfalten?» Resourceful Humans hat sich aus dem Problem eines KMU eines entwickelt, nämlich: Wie schaffen wir es ohne grosses Budget, die besten Talente zu uns bringen? Die Antwort ist: Indem wir ihnen ein Umfeld bieten, von dem wir sagen können «Lieber 3-D-Programmierer, Du kannst nach San Francisco gehen und 120’000 Euro verdienen. Bei uns bekommst Du nur 60’000, aber in den drei Jahren, die Du hier bist, wirst Du mehr lernen und Dich mehr entfalten können, als Du das in einem starren System kannst». Und die Leute springen darauf an. Die fragen sich, wie kann ich mich denn einbringen in dem Thema, in dem ich leidenschaftlich unterwegs bin?
Es geht um Selbstverwirklichung?
Absolut. Leute, die eine Kapazität auf ihrem Gebiet sind, haben auch den Anspruch, voll auszuschöpfen, was in ihnen steckt.
Welche Rolle spielt der Gewinn beim Konzept «Resourceful Humans»?
Kein nachhaltig erfolgreiches Unternehmen wurde je gegründet mit der Prämisse, so viel Geld zu machen wie möglich. Gute Unternehmen starten immer mit einer guten Idee, die ein Kunde kaufen will. Wenn wir das Unternehmen nur aus der Gewinnsicht betrachten, kommen wir schnell in unethische Fahrwasser, deshalb ist es wichtig, dass wir uns mit Dave Packard fragen: «Welchen sinnhaften Mehrwert stiften wir denn im Markt für die Kunden, und was müssen wir erwirtschaften, um das finanzieren zu können?» Und nicht andersrum. Die Wirtschaft ist für den Menschen da, und nicht der Mensch für die Wirtschaft.